Exil-Armenier kritisieren Berlin wegen Haltung zu Völkermord

Der Zentralrat der Armenier in Deutschland hat in scharfer Form kritisiert, dass die Bundesregierung die Tötung hunderttausender Armenier 1915/16 im Osmanischen Reich nicht als Völkermord bezeichnen will.

Berlin - In einem Brief an die Staatsministerin im Auswärtigen Amt,
Cornelia Pieper (FDP), schreibt dessen Vorsitzender Azat Ordukhanyan:
„Deutschlands Rolle in diesem Völkermord von 1915 war so evident, dass
dieses Land eine ganz besondere Verantwortung in der Aufarbeitung und
in der Anerkennung des Genozids spielen muss."

Wirklich unerträglich sei der Gedanke, dass sich eine deutsche
Bundesregierung „aktiv an einer Völkermordlüge beteiligt". Ordukhanyan
fürchtet einen „schweren Rückschlag" für die jahrzehntelangen
Bemühungen, „eine auch formale Anerkennung des Völkermords zu erreichen
und damit den anderthalb Millionen ermordeten Armeniern - und allen
Nachfahren der Überlebenden - Ehre und Gerechtigkeit zu erweisen".

Ausgangspunkt der Kritik ist die Regierungsantwort auf eine Anfrage der
Linksfraktion. Pieper hatte erklärt, die Bewertung der „tragischen
Ereignisse" sollte „unabhängigen Historikern" vorbehalten bleiben, die
Aufarbeitung sei „in erster Linie Sache der beiden betroffenen Länder
Türkei und Armenien". Der Zentralrat nennt diese Haltung der
Bundesregierung „geschichtsvergessen". Offenbar teile Berlin die
Haltung Ankaras, den Völkermord zu leugnen und alles andere einer von
den Regierungen eingesetzten „Historikerkommission" zu übertragen. Eine
solche von der Türkei geforderte Kommission sei ein
„Leugnungsinstrument" und diene nur dazu, das Thema auf die lange Bank
zu schieben. Der Zentralrat ist die Dachorganisation der in Deutschland
lebenden rund 60 000 Armenier, ihrer Gemeinden und Vereine.