„Der Prozess ist eine große Chance“

Interview mit Rakel Dink
Es sei „schwierig die Ungerechtigkeiten an
den Armeniern über ein Jahrhundert und das Leben meines Mannes in so
wenigen Minuten zusammenzufassen", sagt Rakel Dink, die Witwe des 2007
ermordeten Journalisten. Der Film sei gleichwohl gut gemacht, lobt sie.

KÖLNER STADT-ANZEIGER: Frau Dink, am
Freitag wurde der Film „Mordakte Hrant Dink", nach der Uraufführung auf
dem Nürnberger Filmfestival, auch Journalisten in der Türkei gezeigt.
Wie waren die Reaktionen?

RAKEL DINK Die Presse hat sehr positiv
reagiert. Alle waren fast begeistert darüber, dass das Gezeigte der
Realität entsprach und dass Betroffene zu Wort kamen. Das ist in der
Türkei sonst nicht üblich. Nachdem die türkische Presse den Film
gesehen hat, kann man in der Türkei nicht mehr so tun, als hätte es das
Leid der Armenier nicht gegeben. Das ist für mich eine Genugtuung.

Was empfinden Sie, wenn sie den Film sehen?

DINK Es bereitet mir immer noch viele Schmerzen. Es tut mir weh,
wenn ich die Bilder kurz nach dem Attentat sehe. Wenn ich sehe, wie
mein Mann da auf dem Boden liegt. Wenn ich höre wie meine Kinder von
ihm erzählen und welche Schmerz sie dabei empfinden. Wenn ich den
Rückblick auf das Leben meines Mannes sehe, denke ich auch, dass er
alle erhaltene Preise auch verdient hat. Sein Leben bestand aus dem
Einsatz für die Armenier. Er hat sich nicht aufgeopfert, aber er wurde
zum Opfer.

Wie finden Sie den Film?

DINK Er ist gut gemacht. Er betont die richtigen Aussagen. Es
ist schwierig die Ungerechtigkeiten an den Armeniern über ein
Jahrhundert und das Leben meines Mannes in so wenigen Minuten
zusammenzufassen. Das haben die Regisseure aber gut hinbekommen

Was kann der Film in der Türkei bewirken?

DINK Er
dokumentiert das Gute, dass mein Mann bewirkt hat und auch das Unrecht,
welches ihm und anderen widerfahren ist. Durch den Film werden die
vielen Bestrebungen anderer Menschen gefördert, das Werk meines Mannes
im Sinne einer Verständigung und eines offenen Dialogs ohne Vorurteile
fortzusetzen. Und deshalb gibt der Film auch Hoffnung.

Was erwarten Sie hinsichtlich des Prozesses gegen die Mörder ihres Mannes?

DINK
Ich befürchte, dass der Geist der Unterdrückung sich auch beim Prozess
fortsetzen wird. Aber noch ist das Ende offen. Wir werden versuchen
alle Kräfte zu mobilisieren, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Es ist
bekannt, dass es Verbindungen zwischen den Mördern meines Mannes und
der Organisation „Ergenekon" gibt. Und ich hoffe, dass diese auch im
Prozess meines Mannes eine Rolle spielen werden. Die Menschen in der
Türkei wissen, dass der Mord nicht lediglich das Werk von Jugendlichen
war. Der Staat hat den Mord verursacht und der Staat muss ihn nun auch
aufklären. Der Prozess ist eine große Chance der Selbstreinigung für
die türkische Justiz. Aber auch für den türkischen Staat.