Neujahrswunsch

Allen Armenierinnen und Armeniern wünscht der Zentralrat der Armenier in Deutschland ein glückliches und erfolgreiches Neues Jahr 2008 sowie ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest: SCHNORHAWOR NOR DARI JEW SURP ZENUNT.

Nach den Fortschritten der vergangenen Jahre mit dem Höhepunkt der Bundestagsresolution von 2005 ist bei uns allen ein wenig Ernüchterung eingetreten. Wir müssen leider feststellen, dass eine zentrale Forderung dieser Resolution bisher nicht eingelöst wurde. Dort heißt es: “Einen wichtigen Beitrag zur Erinnerung können die Bundesländer leisten. Aufgabe der Bildungspolitik ist es, dazu beizutragen, dass die Aufarbeitung der Vertreibung und Vernichtung der Armenier als Teil der Aufarbeitung der Geschichte ethnischer Konflikte im 20. Jahrhundert auch in Deutschland erfolgt.” Geschehen ist nichts. Wir haben dazu im abgelaufenen Jahr mehrere Initiativen ergriffen, die aber bisher nicht zum Ziel geführt haben. Der ZAD will seine Arbeit im kommenden Jahr auf dieses Thema fokussieren. Auch die Gedenkveranstaltungen zum 24. April sollen mit der Forderung verbunden werden, den Genozid von 1915, aber ebenso das umfassende Thema Völkermord in der politisch-historischen Realität unserer Zeit in die Lehrpläne deutscher Schulen aufzunehmen. Wir sind uns darüber im Klaren, dass dies ein hoch sensibles Problemfeld berührt, aber wir wissen auch: Ausnahmslos alle Schulkinder in der Bundesrepublik Deutschland müssen vertraut gemacht werden mit dieser Vergangenheit und ihrer grausamen Geschichte, auch dem Völkermord an den Armeniern, um sie zu stärken in ihren humanen Überzeugungen – Nie wieder darf sich so etwas wiederholen. Wir werden uns mit diesem Anliegen u.a. an die Kultusministerkonferenz, an die Ministerien in den Ländern, an die Lehrergewerkschaften, an Hochschulen und Kirchen wenden.

Zwei Ereignisse der jüngsten Tage sollten uns ermutigen. Da hat der Deutsche Bundestag beschlossen, den weiteren Ausbau, die Ausstattung und das Arbeitsprogramm des Lepsiushauses Potsdam zu finanzieren. Dies ist ein großer Erfolg. Damit ist sicher gestellt, dass die Forschungs- und Erinnerungsstätte nach schwierigsten Anfängen nun eine segensreiche Zukunft vor sich hat. Schon im kommenden Jahr werden dort zahlreiche Veranstaltungen stattfinden. Der Parlamentsbeschluss, die Finanzierung zu sichern, steht in voller Übereinstimmung mit der Resolution des Bundestages von 2005 zum Völkermord an den Armeniern. Dort heißt es, dass Leben und Werk von Dr. Johannes Lepsius, dem bedeutenden Freund, Anwalt und Helfer des armenischen Volkes in der Zeit des Völkermords, erinnerungs- und bewahrenswürdig sind.

Eine weitere Konsequenz aus diesem Bundestagsbeschluss allerdings steht noch aus: die Leugnung des Völkermords endlich unter Strafe zu stellen. Erst vor wenigen Tagen hat das Schweizer Bundesgericht den Präsidenten der türkischen Arbeiterpartei, Dogu Perincek, definitiv der Rassendiskriminierung für schuldig befunden. Mit diesem letztinstanzlichen Urteil stellt das höchste Schweizer Gericht klar, dass die Vernichtung der Armenier in den Jahren 1915 ff als Genozid im Sinne der UN-Völkermordkonvention von 1948 gilt. Perincek hatte diesen Völkermord mehrfach verleugnet und als   "imperialistische Lüge" bezeichnet. Der ZAD sieht in diesem Urteil auch einen Aufruf an die deutsche Politik, nun ihrerseits ebenfalls die Leugnung eines Völkermords unter Strafe zu stellen. Nachdem der Deutsche Bundestag 2005 die Faktizität des armenischen Völkermords anerkannt hat, steht eine entsprechende Änderung des Strafrechts noch immer aus. Der ZAD fordert den Deutschen Bundestag und das Justizministerium auf, dem Schweizer Vorbild zu folgen und entsprechende Rechtsvorschriften zu beschließen.
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Der ZAD befindet sich zur Zeit in einem etwas aufgeregten Diskussionsprozess über den Beitritt zur EUFV. Da hat es Kommunikationsprobleme gegeben und leider auch eine Reihe Missverständnisse. Darum hier noch einmal: Die Satzung dieses europäischen Verbands spricht ausdrücklich nicht nur von Vertriebenen, sondern auch von Genozid-Opfern; es gibt eine Chance, die Anerkennung des armenischen Völkermords auf europäischer Ebene zu forcieren und damit die Rechte der Opfer und ihrer Nachfahren zu stärken; wir hatten auf einer extra einberufenen Versammlung ausführlich über dieses Projekt informiert und sind mit einem Handlungsauftrag versehen worden. Im Übrigen müssen die Mitgliedsverbände des EUFV den Gründungsvertrag ohnehin noch ratifizieren. Das soll für den ZAD voraussichtlich im Februar 2008 auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung geschehen. Es ist also ausreichend Gelegenheit, das Thema zu beraten.

Der Zentralrat der Armenier ist Sprachrohr der Armenier in Deutschland. Dies ist eine hohe Verantwortung, zumal die Interessenlage unserer Mitglieder natürlich in vielen Fragen weit auseinander liegt. Aber wir haben doch alle ein gemeinsames Anliegen: offensiv in die deutsche – und europäische - Gesellschaft hinein zu wirken und unsere Position als Teil dieser Gesellschaft zu stärken. Darum werden wir uns auch im Neuen Jahr intensiv bemühen. Dazu brauchen wir Ihrer aller Solidarität und Mitarbeit.

Mit den besten Wünschen und Grüßen

Im Namen des Vorstandes
Dr. Sch. Owassapian, Vorsitzender

Zentralrat der Armenier in Deutschland
Frankfurt am Main, 31.12.2007