Armenier wollen in erster Linie die Verurteilung der Genozides durch Anerkennung

Die Hoffnung auf eine Wiederbelebung der, auch für die Politik geltenden, Werteordnung bleibt. Versöhnung bedarf der Verurteilung der Geschehnisse, mit Blick auf das Kaiserreich gerade auch von deutscher Seite.

Die gestrige Bundestagsdebatte machte das Anliegen der Nachkommen des Genozides ein weiteres Mal zum Spielball der Interessen Außenstehender und gehört, anders als die Debatte des letzten Jahres, mitnichten in eine Reihe ruhmreicher Momente des Hohen Hauses.

 

Während die Regierungskoalition behauptete, die armenischen Christen vor innenpolitischen Wahlkampfmanövern schützen zu wollen, machte sie mit ihrer gestern präsentierten Einstellung eben diese und sich im gleichen Atemzug zum Spielball einer AKP-Türkei, die sich ideologisch mit den Tätern des Genozids von 1915 in Nichts unterscheidet.

 

Die Bundesregierung mag sich in dieser Angelegenheit, spätestens seit 2005, ausschließlich in der Rolle des neutralen Moderators sehen, gar sich selbst, aufgrund der eigenen Geschichte, das Recht der Verurteilung Dritter, namentlich der Türkei, absprechen. Doch gerade mit dieser Selbstzensur unterstützt sie die rassistisch bedingte Völkermordleugnung eines Staates, der religiösen Fundamentalismus und Rechtsnationalismus propagiert.

 

Apologetisch hatte man sich in der Vergangenheit bereits den türkischen Vorschlag einer unsäglichen Historikerkommission zu eigen gemacht. Gestern fürchtete man fast dessen ergänzende Empfehlung, eine solche Untersuchung möge doch bitte zum „richtigen“, versöhnlichen Ergebnis kommen.

 

In dem Antrag der Grünen oder dem Zeitpunkt der Antragstellung eine böse Absicht sehen zu wollen, die der ehrlichen Versöhnung zwischen Armeniern und Türken entgegenstehe, wie es der CSU-Abgeordnete Uhl zum Ausdruck brachte, ist blanker Hohn. Die Abstimmungvorlage ist zu einem strategisch perfekten Zeitpunkt eingebracht worden. Kurz vor dem Gedenktag wird die, sich nicht erst seit der Flüchtlingskrise zierende, Bundesregierung in Zugzwang gebracht und Cem Özdemir hat sich einen Handschlag, ein öffentliches Versprechen erstritten.

 

Diese Geste steht zwar in Konkurrenz zur Bundeskanzlerin, die kaum mehr Desinteresse präsentieren konnte, als während der Debatte mehrmals an dieser vorbeizulaufen. Gleichwohl ist das gestrige Ergebnis besser als eine knappe Abstimmung in einem leeren Plenarsaal. Die Hoffnung auf eine Wiederbelebung der, auch für die Politik geltenden, Werteordnung bleibt. Versöhnung bedarf der Verurteilung der Geschehnisse, mit Blick auf das Kaiserreich gerade auch von deutscher Seite. Von türkischer Seite bedarf es der ehrlichen Reue und des Willens einer Wiedergutmachung.

 

 

Jaklin Chatschadorian,

Vorstandsvorsitzende des Zentralrats der Armenier in Deutschland e.V.

Frankfurt am Main, 26.02.2016

 

Mitunterzeichnet von

Armenische Gemeinde Köln e.V.

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